Die Flucht aus Afrika – Teil 5 – Das Finale

Wir mussten noch etwas durchhalten, denn das Abenteuer war noch lange nicht zu Ende. Am Flughafen von Istanbul versuchten wir verzweifelt nach Europa zu gelangen. Hier erfahrt ihr, wie die Geschichte ausgeht, denn das ist der letzte Teil der Saga, mit einem filmreifen Finale.

Die Flucht aus Afrika - Teil 5

Die Seifenoper ging also weiter und wir gingen zum zentralen Schalter von Turkish Airlines. Dort erwartete uns eine lange Warteschlange. Wie bereits im vorherigen Beitrag erwähnt, gab es 90% gestrichene Flüge und ich kann mir gut vorstellen, dass viele Leute Probleme hatte, nach Hause zu kommen.

Da wir beide nicht mehr klar denken konnten, riefen wir unsere Familien an und baten sie um Hilfe. Sie sollten mit der Botschaft sprechen, sowie alle europäischen Länder checken, die uns noch einreisen lassen würden.

Wir hörten, welche Probleme andere Leute hatten und einige von ihnen waren bereits seit 48 Stunden am Flughafen. Die meisten wussten nicht, wie sie nach Hause kommen sollten. Ich sah bereits die Situation des Films „Terminal“ vor mir und stelle mir vor, wie wir die nächsten Tage hier verbringen werden.

Auch wenn es Rückholaktionen der deutschen Regierung gibt, weiß man nicht wann und ob es stattfinden würde. Außerdem bedeutet es, dass wir nicht zusammen reisen können. Also warum sollte Tom in ein anderes Land als ich gehen. Es ist ja nicht so, dass ich unbedingt nach Deutschland muss, also können wir alle Alternativen prüfen, bevor es zu so einer Entscheidung kommen würde.

Währenddessen hatte meine Mutter bereits mit der Botschaft, der Bundespolizei und sonstigen Behörden telefoniert, um herauszufinden wie die rechtliche Lage ist. Mein Bruder recherchierte mittlerweile, welche europäischen Länder uns noch zusammen einreisen lassen würden. Meine Familie meinte, dass wir in egal welches europäische Land sollten. Hauptsache schon mal nach Europa!
Danach können wir weiter sehen, das war der Plan. Sie hatten bereits das Denken für uns übernommen, denn Tom und ich waren ziemlich an unseren Grenzen. Es ging zwar schon wieder besser, doch die Erschöpfung war deutlich zu spüren.

Tom telefonierte ebenfalls mit seiner Familie, während wir warteten, um die rechtliche Lage von der spanischen Regierung zu prüfen. Eins stand fest, weder nach Chile, noch nach Spanien durfte ich als Deutsche einreisen!

Als wir an die Reihe kamen, wurden wir von einem sehr freundlichen Mann begrüßt! Genau das haben wir gebraucht. Ein freundliches Gesicht, dass bereit war uns zu helfen. Er war ruhig, nahm sich die Zeit uns anzuhören und gab uns das Gefühl, dass er uns helfen möchte. Dann erklärte er uns, dass es in den nächsten Wochen keine Flüge mehr nach Deutschland oder Spanien geben wird. In die Türkei dürfen wir auch nicht einreisen, daher würde er nun selbst prüfen, in welches Land wir dürfen und wohin es noch Flüge gibt.

Wir waren so unglaublich glücklich, dass dieser Mitarbeiter bereit war für uns alle Optionen abzuwägen. Zusammen mit einem weiteren Mitarbeiter telefonierte er herum, rief sogar an Flughäfen in anderen Ländern an, um nach den aktuellen Einreisebestimmungen zu fragen. Ein Land nach dem anderen wurden ausgeschlossen.

Als er dann etwas von Luxemburg sagte, bestätigte auch mein Bruder, mit dem ich schrieb, dass wir dorthin sollen, wenn es geht. Tom sagte sofort, dass wir Luxemburg nehmen! Der Mitarbeiter beruhigte uns, denn das Flugzeug ist erstens voll und zweitens ist er nicht sicher, ob es geht.

Er telefonierte schließlich mit der Botschaft von Luxemburg! Sie sagten, dass wir momentan noch beide einreisen dürften. Mit dieser Nachricht waren wir plötzlich hell wach und die Hoffnung kam zurück.

Nun musste er nur noch klären, wie er uns in ein volles Flugzeug bringt, meinte er.

Wie das funktionierte, weiß ich nicht. Doch nach einer Weile sagte er, dass wir zwei Tickets nach Luxemburg für morgen früh um 9 Uhr bekommen.

Was für eine Erleichterung! Wir konnten aufatmen!

Die Boardingpässe wurden uns überreicht, nun darf sich nur nichts ändern! Der Flug darf nicht gestrichen werden und ebenfalls nicht die Einreisebestimmungen.

Wir hatten seit einer gefühlten Ewigkeit nichts gegessen, das Atmen mit der Maske bereitete Kopfschmerzen und erst die Müdigkeit. Wir fühlten uns so platt, dass wir uns jetzt nach einer Entspannung sehnten!

Also beschlossen wir in eine VIP-Lounge des Flughafens zu gehen. Durch unsere Kreditkarte, reduzierte sich der Preis etwas, doch eigentlich war es total egal, was es kostet. Wir mussten etwas essen und runterkommen!

Wenn man den Eintritt bezahlt und in der Lounge ist, sind alle Getränke und jedes Essen im Preis inbegriffen. Es wurde also erstmal gegessen und wir ließen den Stress vergehen. Zwar behielten wir im Hinterkopf, dass eventuell mit diesen Flug auch etwas schief gehen konnte, doch daran denken wir erst, wenn es soweit ist. Danach suchten wir uns eine gemütliche Ecke, um etwas zu schlafen. Es war 2 Uhr morgens. 

Um ehrlich zu sein, habe ich leider nicht schlafen können. Ich lag zwar eine Weile vor mich hin und es tat gut, aber schlafen konnte ich nicht. Zu viel ging in meinem Kopf vor. Gegen 4 Uhr morgens kam mir die geniale Idee, eine heiße Dusche zu nehmen. Das Badezimmer war Wahnsinn! Es war blitzblank und es gab Einweg-Handtücher, und alle Kosmetikprodukte, die du benötigst! Ich glaube, es war die beste Dusche, die ich seit Monaten hatte.

Gegen 7 Uhr morgens frühstückten wir noch einmal richtig gut, tankten Energie und bewegten uns bereits zum Abfluggate. Wir wollten auf keinen Fall Probleme beim Boarding haben, daher wollten wir so früh wie möglich einsteigen!

Die Anzeigetafel zeigte fast nur gestrichene Flüge. Unserer und noch ganz wenige sollten fliegen! Es hieß, dass der Flug nach Luxemburg der letzte nach Europa ist. Danach werden alle Flüge auf unbestimmte Zeit gestrichen. 

Als das Boarding los ging war ich nervös. Bis ich nicht tatsächlich im Flugzeug sitze, konnte ich nicht durchatmen. Doch alles klappte einwandfrei und wir saßen schließlich in der Maschine. Es war komplett voll!
Ich glaube nur wenige Minuten später, als ich realisierte, dass ich es geschafft habe nach Europa zu fliegen, fielen mir die Augen zu und ich wachte erst bei der Landung in Luxemburg auf.

Auch hier hatten wir keine Probleme bei der Einreise, wir mussten unsere Pässe an einem Automaten Einscannen und die Tür öffnete sich! Wir waren nun offiziell in Luxemburg! Hurra!!

Uns war nicht klar, wie die ganze Corona-Quarantäne Situation hier tatsächlich aussehen würde. Gibt es Busse? Züge? Leute auf der Straße? Wir wollten es erstmal versuchen, falls es einen Zug gibt, damit nach Deutschland zu reisen. Falls nicht, gab es noch einen Notfallplan, von dem ich aber nicht gebrauch machen wollte. Circa 10-Zugstunden von München entfernt waren wir in diesem Moment.

Beim Verlassen des Flughafens stand ein Bus vor der Tür. Wir versuchten, ein Ticket zu kaufen, aber der Automat funktionierte nicht. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass es aufgrund der momentanen Situation kostenlos ist. Also ging es Richtung Bahnhof. 

Was für eine andere Welt! Nach 4 Monaten in Afrika, fühlte es sich total irreal an, hier zu sein. Alles ist so modern und unglaublich kalt! Die Leute sind anders, einfach alles anders. Ich war bin mit meinen Gedanken noch so in meiner Welt in Tansania versunken, dass ich es kaum verstehen konnte hier zu sein. Doch die Straßen waren leer und die Stimmung war eigentlich komisch. Man sah kaum jemanden draußen!

Am Bahnhof angekommen war alles geschlossen. Man konnte keine Tickets kaufen und wann ein Zug kommen sollte war auch unbekannt. Nur wir beide und noch eine Gruppe von circa 8 Deutschen, die ebenfalls mit dem Zug über die Grenze Reisen wollten, standen am Gleis. Natürlich gab es keinen Zug, der direkt nach München fahren würde, aber wenn wir erstmal in Deutschland ankommen, werden wir schon alles weitere herausfinden, dachte ich.

Es war übrigens so wahnsinnig kalt! Ich hatte blaue Lippen und Fingernägel. Meine Kleidung war nicht annähernd passend für die winterlichen Temperaturen, die hier herrschten. Ich zog so viele Schichten an, wie ich konnte!

Schließlich kam ein Zug und wir stiegen als Gruppe ein. Ein Mitarbeiter der Bahn meinte zudem, dass es momentan keine Tickets gibt, wir sollten also einfach einsteigen und das taten wir. Der Zug überquerte die Grenze und an der nächsten Station, die in Deutschland ist, sollten wir aussteigen. Ich zitterte ziemlich, denn ich hoffte sehr, dass es keine Kontrollen gibt. Obwohl meine Familie inzwischen mit der Botschaft telefoniert hat und sie sagten, dass es kein Problem geben sollte. Sie sagten, dass wir theoretisch an unseren Wohnort reisen dürfen, auch als Europäer! Die Auslegung ist aber jedem Beamten dahin gelegt, ob er einen Nachweis möchte oder uns glaubt, dass wir tatsächlich an einen festen Wohnort fahren.

Wir stiegen in Konz aus und waren in Deutschland!

Es war ein unbeschreibliches Gefühl, es nach Deutschland geschafft zu haben! Wir freuten uns so unglaublich, nach so vielen Tagen und Stunden das Land endlich zu betreten. Ich glaube ich war noch nie so glücklich, in Deutschland angekommen zu sein!

Kurz wurden wir aus unserer Freude gerissen, denn als wir in den nächsten Zug einsteigen wollten, kamen Grenzpolizisten auf uns zu und wollten unsere Pässe sehen. Auch Toms Pass! Der Rest der Gruppe verschwand bereits im Zug, doch uns hielten sie fest. Zittrig überreichten wir unsere Pässe. Sie fragten woher wir kommen und wohin wir fahren. Der Grenzbeamte schaute Tom direkt in die Augen und wollte wissen wohin er fährt, da er keinen Deutschen Pass hat. Er erwiderte, dass er nach Hause fährt, dass wir nach München wollen! 

Der Polizist hielt einen Moment inne und wünschte uns daraufhin eine gute Heimreise!

Mein Herz klopfte so stark, als wir in den Zug stiegen und er los fuhr. Dann setzten wir uns hin und starrten uns an. Es wurde uns bewusst, dass wir es geschafft haben!!! Es war ein unglaubliches Gefühlt, wir jubelten! Wie viel Anspannung ein Körper ertragen kann, weiß ich nicht, doch jetzt konnten wir tatsächlich endlich entspannen! 

Die restliche Reise verlief einwandfrei, einige Anschlusszüge mussten wir nehmen, bis wir dann letztendlich in München die S-Bahn nahmen und an der Haltestelle meiner Eltern ausstiegen.

Wir waren tatsächlich hier! Zum Abschluss der endlosen Reise schneite es noch. Es schneite und wir gingen in der Dunkelheit der Nacht bis zur Haustür! Es war wie in einem Film, das Ende musste noch einen speziellen Effekt haben und so war es! Ich war mir nicht sicher, ob ich lachen weinen oder jubeln sollte. Es war ein Chaos der Gefühle.

Ja, wir waren nicht mehr in Tansania, der Temperaturunterschied lies keine Zweifel. Verschneit betraten wir das Haus, in die Wärme und Geborgenheit.

 

Was für eine unglaubliche Reise! Ich hoffe du hast genauso mitgelitten und mitgefühlt wie wir. Ich möchte mich hiermit nochmal herzlich für die Unterstützung meiner Familie und Toms Familie bedanken. Ihr habt uns sehr in diesen schwierigen Momenten geholfen!

Nun verabschiede ich mich erstmal, denn in den nächsten Tage muss ich mich in die Realität zurückfinden.

❤ Julia



2 thoughts on “Die Flucht aus Afrika – Teil 5 – Das Finale”

  • Was für eine Geschichte Julia! Schade, dass sie früh nach Deutschland zurückkehren mussten und ich bin froh, dass Sie trotz der Schwierigkeiten in Ihr Land zurückkehren konnten .

    Que Historia Julia! lastima que tuvieron que regresar antes de tiempo a Alemania y me alegro de que, a pesar de las dificultades, pudiste regresar a tu país.

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