Die Flucht aus Afrika – Teil 4
Tränen, Enttäuschung und eine Reise, die ich niemals vergessen werde! Es wurde getestet, wie wir mit Stresssituationen umgehen können und ich fiel durch!
Die Flucht aus Afrika - Teil 4
20.03.2020
Unser Taxi holte uns pünktlich um 07:00 Uhr morgens ab und lies uns wenige Kilometer weiter, am Flughafen ab. Wir sagten kaum ein Wort während des ganzen Morgens, aber ich sah Tom an, dass er sich innerlich wohl genauso bedrückt fühlte wie ich.
Das Einchecken dauerte lange! Obwohl wir nur Handgepäck haben, konnten wir nicht online einchecken, sodass wir uns auch am Schalter anstellen mussten.
Es gab ein paar Leute, die eine Maske trugen. Es waren für uns die ersten Personen, die wir mit einem Nasen-Mund-Schutz gesehen haben. Zu diesem Zeitpunkt gibt es in Tansania nur 7 bestätigte Fälle.
Bevor man durch den Zoll ging, wurde unsere Temperatur gemessen und wir mussten unsere Hände desinfizieren. Der Rest ging dann aber ganz schnell.
Da wir keine Möglichkeit hatten, noch etwas einzukaufen, um wenigstens eine Kleinigkeit mitzunehmen, beschlossen wir es am Flughafen zu tun. Wahnsinnig schade dass man 2 Monate in einem Land ist, um dann am Ende am Flughafen etwas einzukaufen. Doch es ging nicht anders! Leider wurden wir aber enttäuscht, denn es gab nur ein einzigstes Geschäft, in dem wir schließlich unsere letzten tansanischen Schillings für einen Tee ausgaben.
Fast alle Passagiere, die mit uns ins Flugzeug stiegen, waren Touristen. Wir flogen mit Turkish Airlines und ich war sehr positiv überrascht, wie nett und zuvorkommenden das Bordpersonal war. Der Flug verlief reibungslos, doch wir waren immer noch sehr still. Wir versuchten uns aber auf die Familie zu freuen, anstatt in Trauer zu versinken.
Fünf Stunden später kamen wir in Istanbul an.
Vor circa zwei Wochen haben wir mal eine Maske gekauft, für den Fall, dass wir sie in der Zukunft benutzen müssten. Als wir in Istanbul sahen, wie viele Leute eine trugen und wie viel los war, beschlossen wir, die Maske aufzusetzen. Wir wollten vermeiden, den Virus mit nach Hause zu meiner Familie zu bringen.
Am Flughafen herrschte ziemliches Chaos. Die Anzeigetafeln zeigten 90% stornierte Flüge und überall und an jeder Ecke saßen und schliefen Leute. Auch gab es viele Spender mit Desinfektionsmittel, um sich die Hände zu säubern. So etwas habe ich vorher noch nie gesehen. Ebenfalls war es total komisch eine Maske aufzuhaben und Leute damit zu sehen. In Tansania war es ja noch überhaupt nicht präsent, deswegen total neu für uns.
Unsere Wartezeit am Flughafen verging recht schnell und bei so vielen stornierten Flügen, waren wir echt froh, als unser Boarding begann. Wie immer, zeigten wir unser Ticket und unsere Pässe, als der Mann am Flugsteig plötzlich sagte: „Moment mal. Kommen sie bitte mit.“
Wir wurden auf die Seite gebeten und eine andere Person der Fluggesellschaft kam auf uns zu und sagte: „Sie können nicht in das Flugzeug steigen. Wir haben vor kurzem die Meldung bekommen, dass Deutschland nur noch Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit ins Land lässt. Ihr Freund hat einen spanischen Pass, sodass er nicht mit darf.“
Diese Aussage traf mich wie ein Schlag ins Gesicht! Wie bitte? Ich hatte doch noch vor Abflug bei der Botschaft gecheckt, dass man als Europäer einreisen kann. Es ist doch unmöglich, dass es sich während unseres Fluges geändert hat!
Zu uns gesellten sich noch zwei andere Paare, die in der exakt gleichen Situation waren. Ein Partner Deutsch der andere Europäer. Wir sollten irgendeinen Nachweis erbringen, dass wir beide in Deutschland wohnen. Den hatten wir natürlich nicht! Die letzten Jahre haben wir in Spanien gelebt und Tom wohnte natürlich nicht dort, auch wenn unsere ganzen Sachen dort waren und wir kein anderes Zuhause hatten.
Der Flugbegleiter bat mich, ins Flugzeug zu steigen und Tom hier zu lassen. Er verstand wohl nicht, in welcher Situation wir uns befanden. Ich versuchte ihm zu erklären, dass wir dort zu meiner Familie gehen, denn wir haben keinen anderen Ort, an den wir hin könnten.
Ich war so verzweifelt, dass meine Gefühle die Oberhand gewannen und mir die Tränen herunterliefen. Flehend sagte ich der Flugbegleiterin nebenan, dass wir nirgends hin könnten und sie uns bitte in das Flugzeug lassen soll. Doch sie sagte nur: „Es tut mir leid, ich kann Ihnen aber nicht helfen. Steigen sie nun ein oder nicht?“
Währenddessen stiegen die anderen Paare ein, da sie eine Heiratsurkunde vorlegen konnten, was gut genug war. Ich war bereits zu nichts mehr zu gebrauchen, da ich komplett aufgelöst war. Tom jedoch diskutierte mit dem Mann.
So verlief das Gespräch:
Tom: Sie sagten, wir wären alle in der gleichen Situation, also wenn die anderen nun einsteigen dürfen, sollten wir es auch dürfen!
Mitarbeiter: Sie haben mir keinen Beweise gezeigt! Wenn sie wenigstens verheiratet wären, aber welchen Beweis haben Sie?
Tom: Ich habe mein Ticket von München nach Kenia, was bestätigt, dass ich meine Reise von Deutschland verlassen habe.
Mitarbeiter: Dass Sie auf dem Hinweg von Deutschland geflogen sind, ist kein Beweis dafür, dass Sie dort leben. Und Deutschland akzeptiert nur deutsche Staatsbürger.
Tom: Aber ich lebe dort und ich bin Spanier, ich brauche kein Dokument, um in Deutschland zu leben! Als Europäer kann ich in Deutschland ohne ein spezielles Dokument sein.
Mitarbeiter: Ich weiß, normalerweise würden sie keinen Nachweis brauchen, doch ich habe strikte Anweisungen und ich kann sie nicht in das Flugzeug lassen. Hören sie auf mit mir zu diskutieren.
Der Mitarbeiter wendete sich an mich: Steigen Sie nun ein? Ich empfehle Ihnen einzusteigen, das ist der letzte Flug nach Deutschland!
Ich: Ohne Tom steige ich nicht ein!
Tom: Julia, steig ins Flugzeug. Ich fliege nach Spanien und dann sehen wir weiter.
Mitarbeiter: Es gibt keine Flüge nach Spanien, vor Stunden ist bereits der letzte Flug gegangen. Wann es wieder Flüge gibt ist bisher unbekannt.
Tom: Bitte, ich bitte Sie mir zu helfen. Wir sind aus Tansania geflogen und müssen zu unserem Haus nach München. Welche Möglichkeiten habe ich, wenn ich nicht einmal nach Spanien gehen kann? Darf ich überhaupt in die Türkei einreisen?
Mitarbeiter: Steigen sie nun ein oder nicht?
Ich: Nein!
Der Flugbegleiter gab den Befehl das Gate zu fließen und den Flug für den Start freizugeben. Ich versank in meiner Verzweiflung und meinen Tränen. Ich konnte mich einfach nicht mehr zusammen reisen. All der Stress der letzten Tage, tagelange Ausnahmesituation und dann das. Ich konnte einfach nicht mehr, mein Kopf hielt es nicht mehr aus.
Tom: Bitte, Sie müssen uns reinlassen!
Mitarbeiter: Die Flugzeugtür wurde bereits geschlossen. Hören Sie auf!
Tom: Aber was sollen wir nun tun? Wir können uns nicht in Luft auflösen! Wir können nicht nach Deutschland, nicht nach Spanien. Die Türkei lässt uns wahrscheinlich ebenfalls nicht einreisen! Nach Tansania können sie uns nicht zurückschicken!
Mitarbeiter: All das liegt nicht in meiner Verantwortung, lassen Sie mich nun in Frieden.
Ich schaltete schon lange ab und setzte mich auf einen der Sitze in der Nähe. Mein Kopf war leer und meine Augen taten mir weh. Ich glaube ich saß einfach nur so da und starrte vor mich hin. Mein Gehirn funktionierte nicht mehr!
Irgendwann später kam Tom zu mir. Es war bereits fast Mitternacht. Es gab also weder Flüge mehr nach Deutschland, noch nach Spanien. Tom meinte, dass sie uns auch nicht in die Türkei einreisen lassen.
Was sollten wir nun tun? Zurück nach Tansania? Am Flughafen wohnen? Wohin können wir denn?
Morgen geht es weiter…