Die Flucht aus Afrika – Teil 1
Im Rekordtempo arbeiteten unsere Gehirne, denn wir hatten irgendwie das Gefühl, dass es jetzt schnell gehen musste! Entscheidungen müssen getroffen werden, die schwerwiegende Folgen auf unsere Reise haben.
Die Flucht aus Afrika - Teil 1
16.03.2020
Heute hat es den ganzen Tag geregnet und es passte zu unserer Stimmung. Wir sind total überfordert und müssen wichtige Entscheidungen treffen. Ganz Europa hat die Grenzen zu seinen Nachbarländern nun geschlossen und wir befürchten dass es auch hier dazu kommen wird. Ebenfalls ist die Stimmung hier im Haus ziemlich bedrückt. Seit den Nachrichten gestern, über den ersten Infizierten in Tansania, wird nur noch davon gesprochen.
Wir beschlossen erstmal spazieren zu gehen, um unseren Kopf frei zu bekommen. Außerdem wollten wir kochen und dazu fehlten uns noch die Zutaten.
In der kurzen Zeit, in der wir draußen waren, hörten wir überall das Wort „Corona“ und ich meine mir einzubilden, dass die Stimmung sich ebenfalls geändert hatte. Ich hatte den Eindruck, dass sich von heute auf morgen das freundliche Lächeln in Skepsis und Unsicherheit umgewandelt hatte.
So können wir nicht weiterreisen! Es ist nicht mehr das Gleiche!
Wie könnten wir es wagen nach Malawi zu fahren, wenn die Leute uns als eine Bedrohung sehen könnten. Die Erfahrung wäre ganz anders und ich möchte diese positive Stimmung wie bisher haben. Der Virus kommt nun mal von den Ausländern, die ihn mit ins Land bringen und die Leute wissen natürlich nicht, dass wir schon lange hier sind. Das könnte für uns kompliziert werden. Außerdem wäre es nicht so toll, in einem Land festzusitzen, in dem du vielleicht nicht mehr willkommen bist.
Nach dem Mittagessen haben wir eine enorme Entscheidung getroffen:
Wir werden nicht nach Malawi oder Sambia gehen. Wir wollen keine Situation, in der wir von den Menschen oder schlimmer noch, von verängstigten Einheimischen, abgelehnt werden. Außerdem erfuhren wir, dass die Leute ihr Airbnb schließen, um keine Ausländer mehr aufzunehmen. Was auch unsere Gastgeber taten. Also würden wir vielleicht nicht mal eine Unterkunft finden.
Jetzt stellt sich nur die Frage, wohin sollen wir?
In Tansania könnten wir zwar nach Daressalam zurück, es ist eine Großstadt mit einigen Ausländern. Wir könnten uns eine Wohnung langfristig mieten und den Ausnahmezustand aussitzen. Aber würden wir überhaupt eine Unterkunft bekommen? Was ist, wenn sie uns rausschmeißen? Und was ist mit dem Visum, das eigentlich bald ausläuft? Würden sie es verlängern? Vom mangelhaften Gesundheitssystem mal nicht zu sprechen.
Ich schrieb mal der deutschen Botschaft in Daressalam, um nach einer Meinung zu fragen. Sie antworteten mir sofort, dass sie uns empfehlen das Land zu verlassen. Puh!
Eine neue Idee musste her. Warum ich nicht daran dachte, zurück nach Europa zu fliegen? Es machte überhaupt keinen Sinn, in das Zentrum der Pandemie zurück zu kehren. Das klingt total unlogisch. Außerdem wohin nach Europa? Wir haben keine Wohnung mehr, denn unsere Wohnung in Spanien haben wir vor der Reise aufgegeben. Also sollten wir zu meinen Eltern nach Deutschland? Und dann was? Im Elternhaus rumsitzen? Diese Option klang für uns nicht als die beste Lösung, daher kam uns eine bessere Idee.
Mauritius! Ja genau, diese paradiesische Insel! Als wir bereits in Sansibar waren, überlegten wir auf die Insel zu fliegen, entschieden uns aber doch Richtung Malawi zu reisen.
Was sprach also für Mauritius?
- keine Corona-Fälle
- kein Visum
- ein Gesundheitssystem europäischen Standards
- bezahlbare Unterkünfte
- Wer würde nicht, eine Pandemie im Paradies aussitzen wollen?!
Wir könnten uns also dort eine Unterkunft für mehrere Monate mieten und einfach abwarten. Natürlich ist uns bewusst, das auch dorthin irgendwann der Virus kommt, aber dann bleiben wir einfach in unserer Unterkunft, wie wir es wo anders auch machen würden. Das klang gut genug für uns!
Direkt schrieb ich auch der Botschaft und der Einwanderungsbehörde von Mauritius, nur um auf Nummer sicher zu gehen, dass wir einreisen können. Es war toll, wie schnell ich eine Antwort von allen Seiten bekam. Die Antwort war: Ja! Wir dürfen einreisen!
Wir wogen noch die Vor- und Nachteile ab und recherchierten die Alternativen. Irgendwie hatten wir das Gefühl, dass es nun schnell gehen muss und wir nicht all zu viel Zeit haben, darüber nachzudenken.
Einige Stunden später, und übrigens alles am selben Tag, buchten wir die Flugtickets nach Mauritius!
Freitag Morgen, 20.03.2020. Man brauchte zur Einreise auch ein Ausreiseticket, dass wir einfach mal drei Monate später ansetzten. Kosten 360€ pro Person
Zuerst mussten wir also zurück nach Daressalam gelangen, um von dort aus den Flieger zu nehmen. Also riefen wir am Bahnhof an, um Zugtickets zurück nach Daressalam zu kaufen, doch alles war ausverkauft. Wir werden also mit dem Bus zurück fahren!
Als wir am Busbahnhof waren, um die Tickets zu besorgen, bestätigte sich unsere Entscheidung. Einige Leute riefen uns „Corona“ zu, einer sogar wütend. Das Wort war also an uns gerichtet. Es ist nicht mehr das Selbe!
Wir fühlten uns erleichtert und bestätigt. Der Plan stand, morgen früh geht es also zurück nach Daressalam und 30 Stunden danach nach Mauritius. Alles ruckzuck. Ich war nicht allzu traurig in diesem Moment, erstens, weil ich es noch nicht realisierte und zweitens, weil ich es nur als eine „Pause“ sah. Wir werden diese Situation im Paradies aussitzen und danach einfach weitermachen, wo wir aufgehört haben.
Auf dem Heimweg, fielen uns die Leckereien eines Kiosks ins Auge. Einige rote Würfel und ein paar cremefarbene Stäbchen. Wir kauften von jedem ein paar und zufrieden spazierten wir zurück.
Die roten Würfel waren zuckersüß, aber lecker. Aber als ich in das cremefarbene Stäbchen biss, verzog sich mein ganzer Mund und als Reaktion spuckte ich es aus! Es schmeckte wie Kreide! Was in aller Welt haben wir da gekauft? Das kann kein Essen sein, es schmeckt wie Dreck!
Trotz des ekelhaften Geschmacks überredetet ich Tom ebenfalls zu probieren, um zu testen ob ich Recht habe. Wieso er sich überreden ließ, weiß ich nicht, aber es war zu meiner Belustigung. Ich überschlug mich vor Lachen, als auch er es ausspuckte und mich fragte: „Warum lässt du mich Kreide essen?“ Woher wir den Geschmack von Kreide kennen, sei mal dahin gestellt.
Wir kringelten uns, doch dem Mysterium wollten wir auf den Grund gehen. Vllt ist das keine Süßigkeit und wir blöden Touristen beißen da hinein. Aber auch die nette Frau vom Kiosk hatte nichts erwähnt.
Im Haus angekommen fragten wir Asha, als sie uns die Tür öffnete und zeigten ihr, was wir gegessen haben. Als sie unsere Geschichte anhörte, fiel ihr fast der Mund vor Lachen ab. Sie überschlug sich in ihrem Gelächter und hörte einfach nicht auf. Wir fühlten uns so lächerlich!
Als sie sich einkriegte, berichtete sie, dass es sich um Lehmstangen, ja genau, Dreck, Schlamm, wie auch immer du es nennen möchtest, handelt. Schwangere Frauen essen es, weil sie denken, es sei gut für das Baby. Nun konnten auch wir uns nicht mehr vor Lachen halten. Wir aßen also ein Stück Dreck für Schwangere. Klasse! Blöde Touristen.