Ngozi-Kratersee & Mbeya
An der Grenze zu Malawi und Sambia begegneten wir James Bond, sowie einem Mann mit Maske und Handschuhen und wir wurden mit einer schlechten Nachricht konfrontiert. Die Kleinstadt Mbeya zeigt sich von ihrer Schokoladenseite, aber gleichzeitig fühlten wir uns paranoid.
Ngozi-Kratersee & Mbeya
14.03.2020
Ein junger Mann begrüßte uns mit Handschuhen und einer Maske, als wir in unserer Unterkunft in Mbeya ankamen. Zuerst dachte ich, er würde wohl gerade an etwas arbeiten, doch dann frage ihn Tom, ob es wegen des Coronaviruses ist. Er meinte, sie empfangen viele Ausländer und genau deswegen habe er Angst davor.
Sofort betonten wir, dass wir nun seit 4 Monaten in Afrika sind und bereits bei Ausbruch der Pandemie hier waren. Gleich fühlte er sich beruhigt, nahm die Maske und die Handschuhe ab und sagte, dass er sich nicht sicher war, ob wir vielleicht von einem Flughafen und aus Europa kommen. Er meinte, hier in Tansania gibt es zwar noch keinen Virus, er fürchte sich aber davor.
Im Haus waren einige Kinder und andere Erwachsene, die keinen Anschein zeigten, sich vor dem Virus oder vor uns zu fürchten. Sie begrüßten uns sehr freundlich und zeigten uns unser Zimmer, das sehr bequem war.
Vor Einbruch der Dunkelheit gingen wir noch spazieren, um eine Kleinigkeit zu essen und die Leute waren sehr fröhlich und nett zu uns, so wie immer. Es scheint wohl eine Ausnahme zu sein, dass der andere Junge so ängstlich war.
Wir besuchten einen Markt, der uns sehr gut gefiel. Hier waren nur Einheimische und es gab viel zu sehen. Alle Leute riefen uns zu, damit wir ihre Produkte kauften, sodass wir nicht nur gegrillten Mais aßen, sondern auch mit einer Ananas, einer Wassermelone und weiterem Gemüse nach Hause gingen.
Zum Maisessen setzten wir uns an eine Straßenecke, um die Umgebung zu beobachten. Doch eigentlich wurden wir beobachtet, denn alle starrten uns an, riefen und winkten uns zu und lachten. Wir hatten das Gefühl, dass hier nur wenige Touristen Halt machten, und wir wohl eine Seltenheit waren. Wir unterhielten uns mit ein paar Leuten, die neugierig waren und genossen unseren Mais. Wie schön, in einer kleinen Stadt zu sein!
15.03.2020
Asha machte uns ein wunderbares Frühstück. Ein nettes, junges Mädchen begrüßte uns am nächsten Tag sehr herzlich, was unseren Morgen versüßte. Es gab Tee und Kaffee, sowie Toastbrot mit Ei, Avocado und Obst.
Als Gastgeberin war Asha sehr aufmerksam und fragte uns ständig, ob wir etwas bräuchten und ob sie uns etwas kochen soll. Wir fühlten uns sehr willkommen!
In Mbeya wollten wir nur circa drei Tage bleiben, um danach unsere Reise in Malawi fortzusetzen. Die Stadt befindet sich nicht weit von der Grenze zu Malawi und auch zu Sambia.
Also beschlossen wir direkt heute eine Tour zu machen und den schönen Tag zu nutzen. Wir googelten ein paar offizielle Agenturen, denn wir haben gelesen, dass man hier verschiedene Dinge nur mit einem Touristenführer besuchen kann.
Nach kurzer Recherche stießen wir auf den gleichen Führer, der uns bereits am Bahnhof begegnete. Er hatte sogar online gute Bewertungen!
In dem Moment, als wir ihn trafen, hatten wir nicht wirklich Interesse. Erstens sind wir immer skeptisch, wenn uns jemand auf der Straße anspricht und vorgibt ein Touristenführer zu sein. Man muss immer vorsichtig sein! Zweitens waren wir auch nicht in der Laune um schon Pläne zu machen.
Doch auch im Internet fanden wir die gleiche Telefonnummer, die er uns gegeben hatte und da er sogar sympathisch war, fragten wir einfach bei ihm nach. Wir handelten einen Deal aus und starteten schon eine Stunde später zu unserer heutigen Tagestour.
James oder auch James Bond genannt, erwartete uns um 11:30 Uhr im Stadtzentrum, das direkt in der Nähe war. Wir stiegen in einen Dala Dala ein und die Reise ging los.
Auf der circa 25-minütigen Fahrt hörten wir immer wieder das Wort „Corona“ im Radio. Kurze Zeit später sagten es auch die Leute im Bus und fingen an zu diskutieren. Da wir nichts verstanden, kann ich leider nicht genau sagen worum es ging, doch auch hier war das Thema präsent.
Als wir aus dem Bus ausstiegen erwarteten uns bereits drei Männer mit Motorrädern. Jeder von uns sollte sich nun auf eins der Motorräder setzen, um in Richtung des Berges zu fahren. James erklärte uns bereits im Bus, dass wir zunächst ein Transportmittel benutzen müssten, bevor wir unsere Wanderung zum heutigen Ziel beginnen könnten.
Ich habe noch überhaupt nicht erwähnt, wohin es heute gehen soll.
„Ngozi Crater Lake“, einen Kratersee wollten wir besuchen. Es handelt sich hierbei um den zweitgrößten Vulkankratersee in Afrika. Klingt gut, oder?!
Die Motorradfahrt begann richtig klasse, denn der Weg war in Ordnung und wir fuhren durch ein kleines Dorf, in dem uns die Kinder freudig begrüßten. Ich fühlte mich frei, abenteuerlich und genoss die Landschaft. Doch dann wurde die Straße immer schlechter und der Weg immer holpriger. Plötzlich überkam mich die Angst und ich fühlte mich total unbequem auf dem Rücksitz des Motorrades. Ich bin generell kein Fan von Zweirädern und ich dachte, dass wir jeden Moment im Schlamm oder den Löchern umkippen würden. Eigentlich bin ich kein ängstlicher Mensch doch ich konnte es nicht vermeiden, an einen Unfall zu denken.
Als wir stehen blieben war ich bereits ganz blass im Gesicht und unglaublich froh, dass wir nun zu Fuß weiter gingen. Tom hingegen stieg mit einem Lächeln im Gesicht ab und verstand mein Unwohlsein nicht.
Auf dem Fußmarsch erzählte uns James, worüber die Leute im Bus sprachen. Er bat uns ihm zu sagen, was wir gegen den Virus tun können. Überrascht über diese Frage, sahen Tom und ich uns fragend an, er dachte wohl dass wir eine wissenschaftliche Antwort parat hätten. Aber mehr als was man so nachlesen kann, konnten wir ihm nicht mitteilen. Die nächsten Minuten diskutierten wir darüber, versicherten auch ihm, dass wir seit Monaten in Afrika sind und zum Abschluss des Themas machten wir noch einen „Wuhan Shake“. Den Rest des Tages wollten wir genießen und nicht mit negativen Gesprächen verbringen.
Zu Beginn eines dichten Waldes erwartete uns ein Ranger, der uns zum Krater begleitete. Warum genau er uns begleiten musste, konnten wir nicht herausfinden. Es sei anscheinend Pflicht und so war es eben.
Wir durchquerten einen dicht bewachsenen Regenwald und das Wetter wurde immer nebliger.
Als wir den Gipfel erreichten und den Aussichtspunkt erblickten, war ich nicht sicher, ob ich lachen oder weinen sollte. Der gesamte Ausblick war mit Nebel bedeckt. Wir konnten weder ein paar Meter in die Tiefe sehen, noch den Krater erkennen. Was für eine Enttäuschung! Kilometer sind wir gegangen und haben uns darauf gefreut.
Das Blödste von allem war, dass es nicht mal den geringsten Anschein hatte, sich zu ändern. Aber hey, das ist die Natur, es gibt keine Wettergarantie.
Der Ranger verschwand und kam mit einem gigantischen Blatt zurück und schnippelte mit seiner Machete daran herum.
James nähert sich und erklärte uns, dass diese Pflanze eine wilde Bananenpalme ist und dass sich darin Wasser ansammelt. Einheimische glauben, dass dieses Wasser Heilkräfte hat und auch wir sollten es probieren. Das Wasser war frisch und ich sauber und schmeckte etwas nach Sellerie.
Anscheinend steckte tatsächliche eine magische Kraft in dem Wasser, denn der Nebel verschwand immer mehr. Kaum zu glauben, doch es klarte sogar komplett auf, sodass wir endlich den unbeschreiblich schönen Anblick auf den Kratersee bekamen.
Zurück in der Stadt spazierten wir wieder herum und aßen etwas. Dabei hörten wir immer wieder das Wort „Corona“. Ich fragte mich, ob ich plötzlich paranoid geworden bin, oder ob Tom es auch hörte. An einem kleinen Kiosk kauften wir unser Abendessen, als fünf Leute uns anstarrten und wir ebenfalls ein komisches Gefühl hatten. Einer von ihnen fragte, woher wir kommen. Schnell antwortet Tom, dass wir aus Chile sind und seit 4 Monaten bereits in Afrika waren.
Die Stimmung änderte sich schlagartig, alle lächelten und sagten „Karibu“ (willkommen). Dann erwähnte der gleiche Mann, dass sie sich Sorgen um den Virus machen.
Uns passierte es zum allerersten Mal, dass wir so viel mit dem Thema konfrontiert wurden. Überall im Radio und jetzt auch die Leute. Wir können wohl kaum mit einem Schild rumlaufen, dass wir schon seit 4 Monaten hier in Afrika sind.
Zuhause passierte dann ebenfalls etwas Komisches:
Im Haus leben zwei Kinder, ein achtjähriger Junge uns sein zehnjähriger Bruder. Sie betraten die Tür und sangen auf Suaheli „bla bla bla Corona, bla bla bla Corona“.
Wir fragten uns, ob sie tatsächlich „Corona“ singen oder wir bereits halluzinieren. Auf Nachfrage erzählten die Jungs, dass sie dieses Lied heute in der Schule gelernt hatten. „Corona ist ein Virus, das die Vereinigten Staaten erfunden haben, um den Präsidenten von China zu töten.“ Das sagten sie wortwörtlich.
Ich fragte ihn, woher er diese Informationen habe, worauf er antwortete, dass sie es in der Schule gelernt haben. Weiterhin meinte er: “Wir werden alle wie Hühner sterben.“
Als ihr Onkel ins Wohnzimmer kam, machte er die Nachrichten an und wir erfuhren, dass es heute den ersten bestätigten Fall von Corona in Tansania gibt. In der Region des Kilimandscharos, was ungefähr 1000km von uns entfernt war.
Schon länger hatten wir uns die Karte mit den Fallzahlen nicht mehr angesehen und wussten seit Tagen nicht mehr, wie es in Europa und der Welt aussah. Wir wussten nur, dass es hier in Ostafrika keine Fälle gibt. Bis heute.
Ich wunderte mich nun nicht mehr, warum ich heute so viel darüber auf der Straße hörte. Bis jetzt wurde nicht darüber gesprochen, doch da es heute den ersten Fall gab, sprach natürlich jeder plötzlich darüber.
Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf. Es herrschte ein komplettes Chaos an Gefühlen in mir und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Schon klar, dass es logisch war, das auch hier der Virus ankommt. Dennoch gefiel es mir nicht!
Wir waren kurz davor nach Malawi einzureisen, laut Google einer der ärmsten Länder der Welt. Was, wenn sie die Grenzen schließen, und wir eingesperrt werden? Oder noch schlimmer, was passiert wenn ich die Krankheit hätte und es von Ort zu Ort schleppen würde? Das könnte ich niemals mit meinem Gewissen vereinbaren. So ein Virus hat dort nichts verloren!
Ich wollte nichts mehr davon hören und darüber nachdenken, denn innerlich wusste ich, dass es negative Folgen auf unsere fantastische Reisen haben würde.
Also ging ich einfach ins Bett.